Zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor führt offenbar kein Weg an der massenhaften Einführung von batterieelektrisch angetriebenen PKW vorbei. Diese werden gegenwärtig von den Kunden allerdings kaum akzeptiert, da sie bei einem hohen Preis eine geringe Reichweite und lange Ladezeiten haben. Die erforderliche Batterietechnik hat außerdem noch eine schlechte Umweltbilanz. Zur Verbesserung der Akzeptanz sind Fördermaßnahmen wie Kaufprämien und der Ausbau der Ladeinfrastruktur geplant, womit aber die o. g. Nachteile nicht beseitigt werden. Auch technische Weiterentwicklungen an den Batterien werden in absehbarer Zeit keinen entscheidenden Durchbruch ermöglichen. Deshalb muss die heute verfügbare Technik so eingesetzt werden, dass die bekannten Nachteile reduziert oder sogar vermieden werden.
Es gibt einen naheliegenden und relativ einfachen Weg, dieses Ziel zu erreichen: der Einsatz von herstellerübergreifend standardisierten wechselbaren Batteriemodulen für PKW und dazugehöriger Wechselstationen (z. B. an Tankstellen). Ich bin davon überzeugt, dass sich mit einer geschickten Kombination von fest eingebauten und wechselbaren Batterien die derzeitigen Probleme bei der Einführung von batterieelektrisch angetriebenen PKW lösen lassen.
Beispielsweise könnte man so einen PKW mit einer fest eingebauten Batterie ausstatten, die für eine Reichweite von ca. 100 ... 200 km ausgelegt ist und somit für den überwiegenden Teil der Fahrten ausreicht. Laden kann man diese an gewöhnlichen Ladesäulen. Für den Fall, dass mit dem Fahrzeug eine längere Fahrt unternommen werden soll, verfügt es über einen Schacht für wechselbare Batteriemodule für beispielsweise 200 ... 400 km Reichweite. Größere Autos könnten hierzu mit mehreren solchen Schächten ausgerüstet werden. Diese sind normalerweise leer, können aber bei Bedarf an einer Tankstelle in wenigen Minuten bestückt werden. Leergefahrene Module können dort auch schnell gegen aufgeladene getauscht werden. Eine PKW-interne Ladevorrichtung sorgt dafür, dass die fest eingebaute Batterie während der Fahrt mit Wechselbatterie nachgeladen wird, so dass bei Abgabe der Wechselbatterie noch genügend Reichweite verfügbar ist. Diese Ladeeinrichtung lässt sich einfach realisieren, wenn die Nennspannung der Wechselmodule etwas höher ausgelegt wird, als die der fest eingebauten Batterien.
Dieses Konzept ist mit heute verfügbarer Technik realisierbar und hätte gegenüber heutigen Elektrofahrzeugen folgende Vorteile:
- Die Reichweite des Fahrzeugs ist für die meisten Fahrten vollkommen ausreichend und kann bei Bedarf schnell beliebig erweitert werden.
- Die Ladezeit stellt kein Problem dar. Die Batterien können lebensdauerschonend langsamer geladen werden, ohne die Verfügbarkeit des Fahrzeugs einzuschränken.
- Der Anschaffungspreis des Fahrzeugs ist geringer wegen der kleineren Batterie.
- Im Normalbetrieb ohne Wechselbatterie ist das Fahrzeuggewicht geringer. Dies hat Vorteile bei Fahrverhalten und Energieverbrauch, müsste aber bei der Auslegung des Fahrwerks berücksichtigt werden.
- Bessere Umweltbilanz wegen der kleineren Batterie. Auch die für die gesamte Fahrzeugflotte erforderliche Batteriekapazität dürfte wegen der gemeinsam genutzten Wechselmodule geringer ausfallen, als wenn jedes Fahrzeug ständig mit der Maximalkapazität ausgerüstet werden muss.
- Die an den Wechselstationen vorgehaltenen Batteriemodule können problemlos als Puffer für das Energieversorgungsnetz verwendet werden und damit die Energiewende unterstützen. Möglicherweise können sie über diese Funktion auch anteilig
finanziert werden. - Diese Wechselbatterien werden besser ausgenutzt und können auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden (z. B. bezüglich der Kapazität). Davon profitieren auch ältere Fahrzeuge.
- Ein an der Wechselstation übernommenes Batteriemodul hat die optimale Betriebstemperatur, was besonders im Winter vorteilhaft ist.
Es gab bis 2013 die Firma Better Place, die Elektroautos mit wechselbaren Batterien und die dazugehörigen Wechselstationen betrieben hat. Leider ging sie insolvent. Das Positive an dem Projekt ist, dass damit schon so etwas wie ein Feldtest für die Batteriewechseltechnik gelaufen ist und damit entsprechende Erkenntnisse verfügbar sind. Dass das Projekt gescheitert ist, lag offenbar nicht an der Technik, sondern hauptsächlich am Geschäftsmodell, an der fehlenden Unterstützung durch die Autohersteller und dass es seiner Zeit vielleicht etwas zu weit voraus war.
Ich denke, die oben beschriebene Variante der Kombination von fest eingebauten und wechselbaren Batterien unterscheidet sich weit genug vom Projekt Better Place und bietet zusätzliche Vorteile, so dass es sich lohnt, darüber neu zu diskutieren. Die Autohersteller haben hier mehr Gestaltungsfreiheit und können auf die aktuelle Batterie- und Ladetechnik aufbauen. Die Wechselbatterien werden nur im Bedarfsfall als „Range Extender“ benutzt. Damit dürfte auch der Aufbau der Batteriewechselstationen nicht so vordringlich sein und kann nach Bedarf erfolgen (z. B. zunächst nur entlang der Autobahnen). Da die Tankstellen zukünftig weniger Kraftstoff Verkaufen werden, wäre der Betrieb von Wechselstationen dort gut möglich.
Die wichtigste Voraussetzung zur Realisierung eines solchen Szenarios wäre die Schaffung eines Standards für die wechselbaren Batteriemodule. Was spricht dagegen? Mir ist klar, dass die hierfür notwendigen Arbeiten einige Zeit erfordern werden. Um so wichtiger wäre es deshalb, schnellstmöglich damit zu beginnen.
Dieser Beitrag ist die aktualisierte Fassung eines Kommentars, der auf http://achimkampker.de/2019/06…m-zukunft-der-mobilitaet/ erschienen ist.